Merzig. Im Januar 2021 wird wie jedes Jahr der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Im Saarland soll das Erinnern diesmal den Psychiatrieopfern gewidmet sein. Dazu kam Landtagspräsident Stephan Toscani auf Anregung der Saarländischen Psychiatrie-Stiftung zum Informationsbesuch ins Psychiatriemuseum des Klinikums Merzig. Dort zeigte er sich tief beeindruckt von den aufgezeigten Schicksalen. „Es ist mir wichtig, das Thema in den Vordergrund zu rücken“, sagte Toscani nach dem Rundgang bewegt, „nicht nur im Hinblick auf die Vergangenheit, auch mit Blick auf die Zukunft.“
Das Saarländische Psychiatriemuseum im SHG-Klinikum Merzig wurde 2004 im Dachgeschoss des Altbaus, dem ehemaligen psychiatrischen Landeskrankenhaus, eröffnet, direkt über den Räumen der heutigen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Ins Leben gerufen wurde es vom ehemaligen Chefarzt Prof. Dr. W. Werner und dem psychologischen Psychotherapeuten Ralf Schmitt, der gemeinsam mit Chefarzt Dr. Martin Kaiser den Gast aus dem Landtag durch die Ausstellung führte. Das Museum trifft seit seinem Bestehen auf ungebrochenes Interesse. Auch wenn die Kliniken keinerlei Werbung damit machen, so findet sich doch fast jede Woche eine Besuchergruppe, die um eine Führung bittet. Das Motto ist „Erinnern als Prozess“.
Zunächst führt Martin Kaiser die Gruppe zum Mahnmal für die seelisch Kranken, die im Nationalsozialismus gequält, verfolgt und ermordet wurden. Es wurde von Eberhard Killguß geschaffen, steht vor dem alten Haupteingang und dokumentiert, dass die heutigen Kliniken sich ihrer Vergangenheit sehr wohl bewusst sind. Und gleichzeitig ist es Erinnerung für alle, die vorbeigehen.
Im Dachgeschoss, den eigentlichen Museumsräumen, dann der „Raum mit dem leeren Feld“ der dem Gedenken an die Toten gewidmet ist. Ralf Schmitt erklärt: „Psychisch Kranke wurden von ihren Familien weggebracht und lebten hier völlig abgeschlossen von der Umwelt. Selbst wenn sie starben, kehrten sie nicht nach Hause zurück, sondern wurden auf dem Friedhof des Krankenhauses beerdigt.“ Dieser ist heute als „Park der Andersdenkenden“ oberhalb des Klinikums als Teil des Gustav-Regler-Zentrums zugänglich. Auf den Kreuzen, die man vom Friedhof retten konnte und nun im Museum in einer Installation zeigt, sind teilweise noch die Namen der ehemaligen Patienten zu lesen.
Eine andere Installation berichtet von der Geschichte der Psychiatrie. So etwa von einem alten türkischen Krankenhaus, in dem die Patienten bereits im Mittelalter mit Musiktherapie behandelt wurden, oder von Zwangsbädern und anderen Maßnahmen im 19. und 20. Jahrhundert, bis hin zu einem Szenenfoto aus dem Film „Einer flog über das Kuckucksnest“, der in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre mit ein Signal zur Reform der Psychiatrie setzte. Gegenüber „der kompetente Mensch“: Fotos von historischen Prominenten, die unter einer psychischen Erkrankung litten und dennoch sehr erfolgreich wurden.
Gegründet wurde die „Anstalt“ 1876, war ursprünglich für 200 Patienten gedacht. Sie bildete ein autarkes kleines Dorf, sogar die Stoffe für die Anstaltskleidung wurden auf dem Gelände gewebt. Eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Klinik war die Nazizeit, auch wenn in der Klinik keine Krankentötungen stattfanden. Die Patienten wurden bei Kriegsbeginn weggebracht, weil das Krankenhaus für Militärzwecke gebraucht wurde. Von den 800 Patienten, die während des Krieges evakuiert wurden, kamen gerade mal 80 zurück. Im Verlauf des Reformprozesses seit 1978 gelang es, das Landeskrankenhaus schließlich vollständig aufzulösen und das ehemalige Kreiskrankenhaus zu integrieren.
Im Anschluss an den Museumsbesuch fand im Klinikum zusammen mit dem Landtagspräsidenten eine Sitzung der Saarländischen Psychiatrie-Stiftung statt, um den Gedenktag im Januar 2021 zu planen.
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Tief beeindruckt von den aufgezeigten Schicksalen